Das begrabene Buch

von D.M. Pulley

Dieses Buch hatte ich mir über Prime Reading bei Amazon ausgeliehen, und zwar schon 2016, deshalb war es höchste Zeit, es endlich mal zu lesen.

Der Klappentext verspricht die Geschichte von Jasper, dessen Mutter 1952 spurlos verschwindet. Er findet ihr Tagebuch, und macht sich daran, das Geheimnis um ihr Verschwinden aufzuklären. So weit, so gut.

Am Anfang des Buches ist Jasper 9 Jahre alt (ich weiss nicht, ob er am Ende älter ist oder nicht). Seine Mutter wird als ziemlich liebevoll dargestellt, und sein Vater spielt lieber mit ihm Baseball, anstatt ihn für irgendwas zu bestrafen. Trotzdem hat Jasper dauernd – und zwar wirklich dauernd – Angst vor Prügel wenn er nicht zu 100% den Erwartungen der Erwachsenen entspricht.

Das zieht sich bis zu dem Punkt an dem ich abgebrochen habe durch die ganze Geschichte. Es ist eigentlich nur „Angst vor Prügel, etwas Alltag, Angst vor Prügel, Dialog mit Tante, Angst vor Prügel, Schule, Angst vor Prügel…“ Er glaubt sogar auf den elektrischen Stuhl zu kommen, als er einem Polizisten nicht gehorcht.

Das hat mich echt extrem genervt, vor allem weil er gar keinen Grund hat vor allem und jedem so eine Angst zu haben. Anfangs mag das ja sein Verhalten noch erklären, aber es gibt irgendwie so gar keinen anderen Aufhänger für Spannung oder Dramatik, ausser „wird Jasper jetzt doch Prügel bekommen?“

Es kam einfach der Punkt, wo mich die Antwort auf diese ewige Frage nicht mehr interessiert hat.

Amazon  Thalia  Buch24

Rechnung offen

von Inger-Maria Mahlke

Dieses Buch habe ich hauptsächlich wegen des tollen Covers gekauft. Es geht laut Klappentext um die Bewohner eines Mietshauses in Neukölln, die alle irgendwie eine Rechnung offen haben: mit anderen Leuten, mit dem Leben, mit sich selbst. Dazu passt das Coverbild ja wirklich einmalig! Obendrein hat Inger-Maria Mahlke bereits eine ganze Reihe von Literaturpreisen eingeheimst.

Leider kann ich nicht verstehen, warum auch dieses Buch einen Preis bekommen hat. Die Handlung ist völlig zusammenhangslos und springt zwischen den Protagonisten hin und her. Selbige werden größtenteils nur mit ‚er‘ oder ’sie‘ identifiziert, so dass man meistens überhaupt nicht nachvollziehen kann, um wen es sich gerade handelt. Bei etwa 8 verschiedenen Protagonisten ist das extrem anstrengend.

Auch Gegenwart und Vergangenheit werden beide im Präsens abgehandelt, manchmal sogar im selben Absatz. Als literarisches Stilmittel vielleicht interessant, für den Leser aber einfach nur verwirrend.

Was mich allerdings am meisten gestört hat, waren die Körperflüssigkeiten. Ich vermute, damit sollte Intimität zu den Figuren erreicht werden, aber ich fand es ziemlich ekelhaft, dauernd von sich sammelndem Schweiß, sickerndem Urin, oder tropfendem Speichel zu lesen. Nähe zu einer Figur geht anders.

Alles in allem ein echter Fehlgriff.

 

Meine Schwester, die Hummelkönigin

von Patrizia Jannini

Erfolgreiche Frau zieht nach dem Tod ihrer Mutter aus der Großstadt in einen kleinen Ort, um sich um ihre ältere geistig behinderte Schwester zu kümmern. Das beschreibt eine Freundin von mir in jeder Hinsicht, also habe ich das Buch gekauft um zu sehen ob es noch mehr Parallelen gibt.

Anfangs kommt es alles ziemlich dicke, und es hat sich alles gegen Ally verschworen, aber spätestens nach der Hälfte des Buches wurde es langweilig. Der Heimatort ist eine wahre Utopie – jeder ist nett, gut, hilfsbereit, schlau, fleissig und freundlich. Jeder. Ohne Ausnahme. Selbst die Zwölfjährige. Und alle Männer wollen natürlich etwas von ihr, sind dabei alle zärtlich, unaufdringlich, warten geduldig ab bis Ally sich für einen von ihnen entscheidet, und können natürlich ohne sie nicht leben.

Ich habe echt darauf gewartet ob jetzt langsam noch irgendein Höhepunkt kommt. Irgendeine dramatische Wendung. Das Haus brennt ab. Aiden ertrinkt mit seinem Kayak. Stan verklagt sie auf Unterhalt. Jemand macht sich öffentlich über Emma lustig. DRAMA EBEN! Aber da kam nichts. Wie auch, wenn alle so unglaublich nett, lieb, hilfsbereit und verständnisvoll sind.

War eher froh als es vorbei war.

Bonus: Emma’s Blaubeer-Pie Rezept ist hinten abgedruckt.

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Popular Hits of the Showa Era

von Ryu Murakami

Beliebte Schlager der Showa Ära spielen eine große Rolle in diesem Buch. Die Showa Ära entspricht der Regierungszeit des japanischen Kaisers Hirohito, also 1926 bis 1989.

Die Geschichte spielt in Tokio, wo sich sechs junge Männer zu einer losen Clique zusammenfinden und Samstags zusammen Karaoke singen. Eigentlich verbindet sie wenig, ausser der Tatsache dass sie alle irgendwie kein Ziel im Leben haben, noch nie eine Beziehung – oder gar nur eine gefestigte Bezugsperson – hatten, und eigentlich alle Loser sind.

Ebenfalls eine Clique sind sechs Frauen Ende dreissig, sogenannte Oba-sans, die alle Midori heissen (und sich eigentlich nur deshalb ab und zu treffen), belangloses Zeug daherreden und sich gegenseitig nicht wirklich zuhören, und gerne Karaoke singen.

Eines Tages trifft einer der jungen Männer zufällig auf eine der Midoris – und obwohl sie sich gar nicht kennen, liegt kurz darauf einer der beiden tot auf der Straße. Die Polizei hat keine Anhaltspunkte und stellt die Ermittlungen bald ein, doch die verbliebenen fünf Mitglieder der dezimierten Clique haben eine Spur und ermitteln selbst. Und zwar keineswegs um der Polizei zu helfen – sondern um Vergeltung zu üben.

Der Plan gelingt, doch nun sinnt auch die andere Clique auf Rache, und so entwickelt sich zwischen diesen beiden völlig unscheinbaren Gruppen ein tödlicher Bandenkrieg, der weder von der Polizei noch von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die Zahl der Mitglieder sinkt, und die Waffen werden immer schlagkräftiger, bis es zum Schluß zum großen Showdown kommt.

Der Roman wird als gesellschaftskritische Satire angepriesen, doch auch wenn es definitv eine Satire mit überzeichneten Charakteren und Handlungen ist, erschliesst sich mir nicht was an diesem Buch gesellschaftskritisch ist. „Ärgere keine jungen Männer und keine Oba-san, sonst machen sie dich kalt“ finde ich jetzt nicht „gesellschaftskritisch“.

Habe mich trotzdem amüsiert.

Das verflixte Jahr

von Ismail Kadaré

Es ist das Jahr 1914, der Komet Delavan taucht am Himmel auf, und verheißt den einen Freiheit, den anderen Verderben. Die europäischen Großmächte beschließen, den deutschen Prinzen Wilhelm zu Wied auf den albanischen Thron zu setzen, denn Albanien strebt die Unabhängigkeit an, und da muss man schließlich etwas unternehmen.

In einer von wahren geschichtlichen Ereignissen durchzogenen fantastischen Erzählung fasst Kadaré die Irren und Wirren der albanischen Unabhängikeit in der Geschichte einer kleinen Truppe von Freiheitskämpfern zusammen, die durch das Land zieht und für ihre Nation kämpfen will. Dabei begegnen sie allen möglichen Freunden und Feinden, schaffen es dabei zufällig jedes ernste Gefecht zu umgehen, und werden trotzdem Zeugen wie ihr Land in die Geschichte eingeht.

Die Figuren sind einfach köstlich, auch wenn der eine oder andere unterwegs erschossen wird (mancher auch versehentlich). Ohne vernüftige Kommunikationswege basieren ihre Entscheidungen auf halbseidenen Gerüchten und Bauchgefühlen, und ohne zu wissen, was die fremden Heere eigentlich in ihrem Land zu suchen haben, ziehen sie kreuz und quer durch Albanien, immer auf der Suche nach dem vermeintlichen Feind. Zum Schluss ist Albanien ein Staat, und (fast) alle können nach Hause.

Ich habe diesen Roman sehr genossen, und bin froh, genau dieses Buch für meinen Albanien-Eintrag in meiner literarischen Europa-Reise ausgewählt zu haben.

Malavita

von Tonino Benacquista

Eine amerikanische Mafia-Familie aus New York wird mit dem Zeugenschutzprogramm nach Frankreich geschickt. Nach ein paar Stationen in Paris und an der Côte d’Azur (die nur rückblickend erwähnt werden) landen sie in einer Kleinstadt in der Normandie. Natürlich fliegt die Tarnung bald auf, und die Mafia bekommt Wind davon.

Soweit so gut. Ich fand das Buch unterhaltsam und lustig, und hätte ihm eigentlich 3 Sterne verpasst.

Leider hat das letzte Kapitel alles zunichte gemacht, denn durch einen Wechsel der Erzählerperspektive wird der Ausgang des großen Showdowns schon vorzeitig verraten, und ich habe mich um ein spannendes Ende betrogen gefühlt.

Das hat mich wirklich sehr geärgert und habe aus reiner Wut 2 Sterne abgezogen. Ich bin eigentlich nicht so schnell beleidigt, aber diesmal schon.

Ich zähle es trotzdem als meinen Eintrag für Haute Normandie in meiner literarischen Tour de France.

 

Ich, Eleanor Oliphant

von Gail Honeyman

Dieses Buch hat mir viel Vergnügen bereitet. Ich war auch lange in der Debitorenbuchhaltung, und ebenfalls eine zeitlang in London in einen mittelmässig bekannten Sänger verschossen. Manche Verhaltensweisen von Eleanor könnte man eins zu eins auch auf mich ummünzen – aber nicht alle. Dafür hat sie mich immer wieder an eine autistische Freundin erinnert, so dass ich ihre Ticks gar nicht so abwegig fand.

Erfrischend war auch, dass es nicht in eine typische Liebesgeschichte abgeglitten ist, sondern Freundschaft(en) im Vordergrund stehen, die aus der Einzelgängerin eine Frau mit Freundeskreis machen, auch wenn manche der Freundschaften durch reinen Zufall entstehen.

Das Ende hat mich überrascht, obwohl ich während des Lesens dachte, ich hätte den vollen Durchblick. Das gefiel mir ausgesprochen gut.

(Kaufen bei Amazon)

The Sailmaker’s Daughter

von Stephanie Johnson

Gleich vorweg: dieses Buch hat mir überhaupt nicht gefallen.

Dass es auf Fiji spielt ist eigentlich nur Nebensache, es hätte auch im Süden der USA oder in Indien spielen können. Überall eigentlich, wo im 19. Jahrhundert weiße Gutsbesitzer lebten, die mit ihren Angestellten nicht viel zu tun haben wollen. Wobei die Fijianer oder die importierten Inder eigentlich auch kaum eine Rolle spielen.

Der Schreibstil ist dennoch unterhaltsam, deshalb habe ich das Buch auch nicht abgebrochen sondern zu Ende gelesen. Es hat mich auch genug interessiert, dass ich mir auf Google Maps noch einmal die Inseln angesehen habe, um nachzuvollziehen wo wir gerade sind. Ich war nur zweimal auf Fiji, und kann wirklich nicht behaupten dass ich mich da auskenne.

Um zu erklären warum ich das Buch trotzdem doof fand, muss ich allerdings auf den Inhalt eingehen, deshalb folgt ein Spoiler:

Spoiler

Jede sexuelle Handlung im Buch, nein, sogar jede Handlung im Buch die irgendwie mit Geschlechtsteilen zu tun hat (selbst ohne Sex) wird von der 12-jährigen Protagonistin beobachtet. Egal ob die Oma einen Hefepilz hat und sich zwischen den Beinen kratzt, oder ob zwei Figuren nachts beim Schwimmen in einem See Sex haben, ob sich jemand die Geschlechtsteile wäscht, oder ob der Vater Sex mit einer fremden Frau hat. Die kleine Protagonistin ist IMMER in der Nähe und beobachtet alles genau.

Dieser vorpubertäre Voyerismus hat mich massiv gestört. Erstens weil es mir aufgestossen hat dass ein Kind sowas DAUERND mitbekommt, und zweitens weil es nicht nötig gewesen wäre. Das Buch ist in der Dritten Person geschrieben, die Erzählerin hätte diese Dinge also auch erzählen können OHNE dass das Kind danebensteht. Eigentlich hätte man diese ganzen Szenen auch komplett weglassen können. Ich weiss wirklich nicht was sich die Autorin dabei gedacht hat, aber ich fand’s total scheisse.

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Und auch wenn es meinen Ansprüchen nicht genügt hat, zähle ich es erstmal als meinen Fiji-Eintrag für meine literarische Südsee-Kreuzfahrt.

Käse

von Willem Elsschot

Der kleine Angestellte Frans Laarmanns träumt in Antwerpen davon, Geschäftsmann zu werden und in die höhere Gesellschaft aufzusteigen. Als man ihm anbietet Handelsvertreter zu werden, glaubt er seine Chance ist gekommen, und greift mit beiden Händen zu.

Flugs werden zehntausend Edamer bestellt, die er nur noch schnell verkaufen muss. Gar kein Problem! Oder…?

Das Buch ist kurz, aber jede Seite wert. Ich habe mich beim Lesen scheckig gelacht. Frans ist einfach ein hoffnungsloser Träumer, der zwar Ehrgeiz und Tatendrang besitzt, aber keinerlei Prioritäten setzen kann und überhaupt kein Verkaufstalent besitzt. So werden Visitenkarten bestellt, eine Telefonleitung angeschafft, das Büro tapeziert, alles mit einem unglaublichen Elan, während der Käse im Lager liegt. Und liegt. Und liegt.

Es gibt ja Leute, die Eskimos Kühlschränke verkaufen können, aber ich fürchte, ich selber wäre auch eher so ein Frans Laarmanns wenn ich plötzlich im Großhandel tätig werden müsste.

Ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen, und hatte hinterher richtig gute Laune.

Die Eleganz des Igels

von Muriel Barbery

Das Buch ist eine seltsame Mischung aus leichtherzigem „aus dem Nähkästchen einer Concierge“ und unsortierten philosophischen Gedanken.

Auf den ersten Blick dachte ich, dass die Philosophie völlig an mir vorbeigehen würde. Ich hatte das Buch zuerst in der Originalfassung auf Französisch angefangen, doch die gewählte Sprache war viel zu kompliziert für mein Alltagsfranzösisch. Den zweiten Versuch habe ich mit der englischen Übersetzung gemacht, und es wurde ein sehr interessantes Lesevergnügen.

Ich habe Kant nicht gelesen, und das Tolstoi-Zitat hätte ich auch nicht als solches erkannt als es fiel, aber die Autorin lässt keinen Leser im Regen stehen sondern sorgt dafür dass jeder die Anspielungen versteht, auch wenn er sich sonst mit Philosophie nicht weiter auskennt. Renees interne Monologe wandern durch alle möglichen Themen, und sie findet immer etwas Schönes, selbst in Kleinigkeiten.

Obwohl es mich am Anfang genervt hat dass Renee ständig unterstellt, die Bewohner ihres eleganten Gebäudes würden auf sie herabsehen, wurde sie mir nach und nach immer sympathischer. Sie ist ein etwas extremes Beispiel dafür, wie sehr sich ein Mensch vor anderen verstecken kann, aber ich glaube ein Stückchen Renee steckt in allen von uns. Die wenigsten Menschen zeigen einem Fremden gleich ihre gesamte Persönlichkeit, und man muss jemanden erst besser kennenlernen bevor man herausfindet wer oder wie derjenige wirklich ist.

Paloma fand ich zu zynisch und zu altklug (und etwas zu belesen) um als 12-Jährige durchzugehen. Andererseits hatte ich mit 12 auch ein Buch mit „wichtigen Gedanken“, also habe ich sie einfach mal so hingenommen. Manchmal wollte ich sie allerdings schütteln und sagen „Kuck mal! Die Sonne scheint, Du hast ein Dach über dem Kopf und deine Familie versorgt dich! Sei doch verdammtnochmal ein bisschen fröhlich!“

Wenn man die Philosophie beiseite lässt, ist es ausserdem auch eine richtig schöne Geschichte über eine ungewöhnliche Freundschaft. Ich habe beim Lesen kaum eine Pause eingelegt.